Es war der Welterfolg seines Musicals „West Side Story“, der Leonard Bernstein über Nacht in Europa auch als Komponisten bekannt machte – als Dirigent war er es ja schon zuvor. Seine Beschäftigung mit Shakespeares Vorlage reicht zurück ins Jahr 1949, ernsthaft an die Arbeit machte sich „Lenny“ aber erst 1955. Was Bernstein und seinen Librettisten Arthur Laurents und Stephen Sondheim vorschwebte, war eine Adaption des Stoffes für das Amerika des 20. Jahrhunderts. Dazu wurde die Handlung von Verona nach New York verlegt, die verfeindeten Familien Montague und Capulet in puerto-ricanische „Sharks“ und US-amerikanische „Jets“ umgetauft und das titelgebende Liebespaar in Tony und Maria umbenannt. Die Uraufführung der „West Side Story“ erfolgte schließlich 1957 im New Yorker Winter Garden Theatre, die europäische Erstaufführung durfte sich 1968 – dank des massiven Einsatzes von Marcel Prawy – die Wiener Volksoper auf ihre Fahnen schreiben.
Hochinteressant ist, wie Bernstein das Stück musikalisch anlegte. Er, der Gershwin für das erste originäre amerikanische Musikgenie hielt, spielte mit zwei konträren musikalischen Genres, die die verfeindeten Lager umreißen sollten: aufgeregter, dissonanter und häufig synkopierter „Progressive Jazz“ in Kleinbesetzung für die Jets und tänzerische, hemiolische „Latin-music“ in Tanzorchesterbesetzung mit vielen, Kolorit gebenden Schlaginstrumenten für die Sharks. Für zahlreiche Songs erfand Bernstein eingängige Melodien, manche Orchesterstücke wie der „Mambo“ schafften es durch ihre effektsichere Instrumentation auch auf die klassische Konzertbühne. Duette wie „Tonight“ oder „Somewhere“ punkten mit zu Herzen gehender Emotionalität. Die Solonummern „I feel pretty“ und „Maria“ offenbaren wie in klassischen Arien das Innenleben der Protagonisten: zum einen, die sich ihrer Liebenswürdigkeit bewußt werdende junge Frau, zum anderen der seiner Liebesgefühle innewerdende Tony.
Neben Bernsteins mitreißender Musik ist natürlich auch die Verfilmung der „West Side Story“ aus dem Jahre 1961 mit Natalie Wood und Richard Beymer bis heute unvergessen. Selbstverständlich spielte der Komponist dafür auch selbst den Soundtrack ein.