Webern knüpfte mit seinem Opus 21 insofern an die ältere Wiener Schule an, als er ihm den Namen „Sinfonie“ gab. Immerhin war diese Gattung eine der wichtigsten formalen Errungenschaften seit Haydn und Beethoven, dessen erste Sinfonie übrigens dieselbe Opuszahlnummer trägt. Bei Weberns Werk handelt es sich allerdings nicht direkt um eine Fortsetzung der klassisch-romantischen Sinfonietradition, sondern um ein Konzentrat von seiner eigenen Ästhetik der radikalen Verdichtung und Verknappung. Die Zweisätzigkeit und die Kürze von 10 Minuten sind dafür synonym und reagieren auch auf die sinfonischen Auswüchse Mahlers, des zu Weberns Zeit vorherrschenden Sinfonikers. Kanonische und sogar palindromische Strukturen im Hintergrund zeugen von Weberns überragendem Konstruktionsvermögen.
Hörbar werden diese Techniken jedoch nicht. Auch Interpreten hatten damit offenbar ihre Schwierigkeiten. So soll Webern nach einer Aufführung seiner Sinfonie missmutig ausgerufen haben: „Ein Ton oben, ein Ton unten – wie die Musik eines Wahnsinnigen!“ Diese Aussage beweist, dass es ihm nicht, wie später behauptet wurde, um einzelne, gewissermaßen unverbundene Töne gegangen wäre, sondern um den organischen Zusammenhang des Ganzen. Einen solchen zu finden ist freilich schwierig, wenn, wie bei der zweiten Wiener Schüler üblich, das tonale Prinzip aufgegeben wird. Wer sich dennoch auf diese unvergleichliche Musik einlassen kann, wird mit einem Hörabenteuer der besonderen Art belohnt. Weberns Sinfonie – ein „Mammutbaum in Bonsaigröße“!