1. Satz Allegro moderato
2. Satz Andante con moto
Es sind die Werke Franz Schuberts, die am Beginn einer eigenständigen österreichischen romantischen Sinfonik stehen. Lang gedehnte Melodik, deutliche Volksmusikelemente, ein gemütlicher bis wehmütiger Tonfall – diese Merkmale finden sich entlang der Linie Schubert-Bruckner-Mahler immer wieder.
Schuberts Sinfonie in h-Moll muss man als einen großen Schritt in diese Richtung auffassen. Verglichen mit ihren teils heiteren, teils klassischen Vorgängerinnen öffnet die „Unvollendete“ eine neue Tür in Schuberts Sinfonieschaffen. Allein der unheimliche Beginn mit den tiefen Streichern führt in einen lichtlosen Abgrund, den selbst Beethoven nicht aufgetan hat. Und wie dann als erstes Sinfoniethema klagende Holzbläser über zitternden Geigen in eine Art Niemandsland führen, das hat man an keinem Sinfonieanfang zuvor gehört. Eine schwebende, schwingende Melodie der Celli – eine von Schuberts berühmtesten Eingebungen! – versucht in erlöstere Bereiche zu führen. Ein gewaltsames Orchestertutti macht diese Hoffnung aber mit einem Schlag zunichte. Ein Streichertremolo der Bässe – ein irisierendes Flirren, das durch schnellste Bogenwechsel auf einem Ton hervorgebracht wird – greift am Beginn der Durchführung den insgesamt vorherrschenden Zug ins Irreale und Fiebrige noch einmal auf. Am Kulminationspunkt dieses tragischen Kampfes rücken plötzlich die Posaunen mit dem Einleitungsthema in den Vordergrund. Zur Entstehungszeit im Oktober 1822 war der 25-jährige Schubert bereits schwer krank. Dieser erste Satz fängt möglicherweise einige von Schuberts damaligen Fieberfantasien ein.
Der zweite Satz im entfernten E-Dur – einer Tonart, die in Schuberts Liedern auch mit dem „Tod“ assoziiert wird – entführt zunächst in eine idealere Welt. Ein zart leuchtender Choral entfaltet sich über den pochenden Pizzicati der Bässe. Eine tieftraurige Klarinettenmelodie und vollends der brutale Höhepunkt des ganzen Orchesters entlarven dieses Geschehen aber zunehmend als ein Traumgebilde. Das Ende verliert sich ohne eigentliche Lösung im Offenen.
Der Regel nach hätte hier nun ein Scherzo anschließen sollen – ein dem Prinzip nach vitaler, schmissiger Satz, der ein rasches Finale und einen womöglich sogar heiteren Ausklang vorbereitet sollte. Hat Schubert gespürt, dass diese Konvention mit den seelischen Bezirken, die er in den beiden ersten Sätzen aufgerissen hat, nicht vereinbar ist? Hat er deshalb die Arbeit am Scherzo bereits nach einigen Takten abgebrochen? Wir wissen es nicht. Gerüchte, wonach die Reste der Sinfonie in die Musik zu Rosamunde gewandert seien, haben sich nicht bestätigt. Und wenn auch: Diese „Übernahme“ könnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass Schubert selbst seine siebente Sinfonie in der überlieferten „unvollendeten“ Form für so vollendet gehalten hat, dass er sie seinem Verleger zur Drucklegung angeboten hat…
Der seit seiner Freistellung vom Lehrerdienst ohne geregeltes Einkommen lebende Schubert kam zwar immer wieder bei Freunden unter, geregelte Lebensumstände lagen aber außerhalb seiner Reichweite. So kam es auch, dass sich sein Nachlass verstreute. Erst im Jahre 1865 hat der Wiener Komponist und Dirigent Johann Ritter von Herbeck die „Unvollendete“ bei einem von Schuberts damaligen Weggefährten, Anselm Hüttenbrenner aufgefunden. Wenige Monate später leitete er selbst die Uraufführung. Seitdem zählt Schuberts zweisätzige Ausnahmesinfonie zu den berühmtesten Werken der Weltliteratur.