1. Satz: Adagio – Allegro non troppo – Andante – Moderato mosso – Andante – Moderato assai – Allegro vivo – Andante come prima – Andante mosso
2. Satz: Allegro con grazia
3. Satz: Allegro molto vivace
4. Satz: Finale. Adagio lamentoso – Andante
Tschaikowsys letzte Sinfonie ist 1893 in sehr kurzer Zeit als sein allerletztes Werk entstanden. So restlos und unverhüllt hat er seine Seele in dieses Stück gelegt, als ob es gelte, sein musikalisches Testament zu machen. Die Gespanntheit, unter der er offenbar bei der Komposition gestanden hatte, zeigt sich in diesem Werk nicht zuletzt an nie zuvor gehörten dynamischen Schattierungen sowie an haarfeinen Tempoübergängen. Dass es an dieser Überspanntheit nicht zerbrach, ist der sinfonischen Meisterschaft Tschaikowskys geschuldet, mit der er am Ende seines Lebens den formalen Ansprüchen gerecht zu werden verstand.
Düsterer könnte man sich einen Sinfoniebeginn schwerlich vorstellen: Zwischen die Kontrabässe eingelagert windet sich eine Melodie im Fagott mühsam empor. Auch dass Bratschen und Celli geteilt sind, lässt erkennen, wie der Komponist um einen abgedunkelten Klang bemüht ist. Aus diesem Einleitungsgedanken entwickelt er im Hauptsatz ein zu Beginn noch eher unspektakuläres Seufzermotiv. Was Tschaikowsky dann aber daraus „bastelt“, ist atemberaubend. Scheinbar frei assoziativ wirbeln unterschiedlichste Motive wie Gedankenfetzen durcheinander. Die Vorherrschaft übernimmt schließlich ein einfacher Repetitionsgedanke, der sofort ins Tutti gesteigert wird und heftige Fanfaren der Blechbläser nach sich zieht. Gegenüber solcher Dramatik ist das Seitenthema ein Kosmos ganz anderer Art. Verhalten erhebt sich das zunächst nur pentatonische Motiv in den Violinen „wie eine einzige große Erinnerung“, bevor es am Ende in sich zusammensinkt (sechsfaches pianissimo!). Ein Donnerschlag reißt uns aus solchen Träumen – ehern steht das Schicksal da. Das Seufzermotiv von Beginn stürzt sich in ein zerfahrenes Fugato, aus dem heraus die Trompeten wie zum letzten Gefecht blasen. Die erschütterndste Stelle kommt, wenn Posaunen und Hörner aus der Tiefe heraufsteigen und wir in einen Abgrund schauen: „De profundis te clamavi“’. Dass darüber das Seitenthema noch einmal weht, ändert nicht. Ein russischer Begräbnischoral beschließt diesen aufwühlenden Eröffnungssatz.
Immer wieder, zuletzt in der fünften Sinfonie und auch in der Streicherserenade, hat Tschaikowsky auf die Form des Walzers zurückgegriffen, jedoch weniger in seiner Wiener Art, als mehr von französischen Einflüssen eines Berlioz und Massenet geprägt. Das Außergewöhnliche am Walzer der Pathetique ist die, zumindest für westliche Ohren ungewöhnliche Taktart des 5/4-Taktes. (Slawische Musik verwendet ungerade Taktarten aber gar nicht so selten.) Unnachahmlich entwirft Tschaikowsky vor unseren Augen ein elegantes Orchestertableau, das zwar nicht restlos unbeschwert, aber doch immerhin so gelöst ist, dass ein „Weiterleben“ nach der Katastrophe des ersten Satzes möglich erscheint. Auch das Scherzo versprüht eine überraschend positive Lebensenergie, wenn sich aus dem irisierenden Hintergrund in der Oboe allmählich ein dominantes Marschthema herauslöst. Sein punktierter Rhythmus beherrscht die Szene dann komplett. Am Ende artet der Satz zu einem wahren Triumphmarsch aus, als wäre von Scheitern und Tod vorher nie die Rede gewesen. Umso herzzerreißender fährt in diese Scheinidylle das folgende „Lamentoso“. Die Wehklage dieser in den Streichern qualvoll absteigenden Parallelakkorde lässt keine Ausflucht mehr zu. Das ist über weite Strecken gar keine absolute Musik mehr, das ist musikgewordener Todesschmerz. Nicht umsonst sprachen einzelne Zeugen der Uraufführung von einem „Requiem“. Jenes Fagott, das die Sinfonie begonnen hatte, führt sie auch zu ihrem Ende – in jene bodenlose Tiefe hinab, aus der sie kam. Der weite Weg, der dazwischenlag, ist ein ekstatischer Abschied in Musik, wie ihn vor Mahler nur ein russischer Komponist schreiben konnte. Neun Tage nach der von ihm selbst dirigierten Uraufführung ist dieser russische Komponist verstummt.