1.Satz Trauermarsch – In gemessenem Schritt. Streng. Wie ein Kondukt
2.Satz Stürmisch bewegt. Mit größter Vehemenz
3.Satz Scherzo –Kräftig, aber nicht zu schnell
4.Satz Adagietto – Sehr langsam
5.Satz Rondo – Finale
Die Gattung „Symphonie“ befand sich Ende des 19. Jahrhunderts in einer Krise. Das klassische Modell, das Brahms nach Beethovens Muster zu einer letzten Vollendung geführt hat, war vor dem Hintergrund der Programmmusik anscheinend nicht mehr modern genug. Anton Bruckner integrierte Wagners Klangsprache, erfand aber einen unnachahmlichen, völlig eigenständigen Sinfonietyp. Andere Komponisten suchten den formalen Halt ihrer Sinfonien in literarischen Vorlagen. So auch Gustav Mahler in seinen ersten Sinfonien, die von Jean Paul, Klopstock und Text aus „Des Knaben Wunderhorn“ ausgingen. Die fünfte Sinfonie ersetzte außermusikalische Bezüge dann aber durch ein hochkontrapunktisches Kompositionsprinzip mit komplexer thematischer Arbeit. Seiner langjährigen Vertrauten Nathalie Bauer-Lechner sagte der Komponist: „Es bedarf nicht des Wortes, alles ist rein musikalisch gesagt.“ Nur einmal noch, in der achten Sinfonie würde der Komponist dienen, ihm ab nun eigenen Sinfoniestil zugunsten des Wortes wieder aufgeben – sieht man von dem als Liedzyklus konzipierten „Lied von der Erde“ einmal ab.
Die Entstehung der fünften Sinfonie fällt in eine für Mahler biographisch hochbedeutsame Lebensphase. Im November 1901 begegnete der Wiener Hofoperndirektor der zwanzig Jahre jüngeren Alma Schindler, einer begabten Musikerin aus angesehenem Wiener Künstlermilieu. Schon im März 1902 fand die Hochzeit statt. Von der Vehemenz dieses „Zusammenstoßens“, wenn man dieses für Mahler einzigartige Ereignis so nennen darf, zeugt das, in das ursprünglich viersätzig konzipierte Werk eingeschobenen Adagietto – ein Liebesgeständnis voll verhaltener Leidenschaft und scheu hingehauchter Bekenntnisse, das in der gesamten Konzertliteratur seinesgleichen sucht. Uraufgeführt wurde die Sinfonie 1902 in Köln unter Mahlers eigener Leitung.
Ein einsames, irgendwie verloren und zurückgelassen wirkendes Trompetensignal eröffnet den als „Kondukt“ bezeichneten ersten Satz, Todesbezüge und Begräbnisanspielungen kehren in Mahlers Musik immer wieder, so auch hier. Schnell greift das volle Orchester den thematischen Triolenrhythmus auf. Düster und hoffnungslos zieht dieser Beginn wie ein schweres Unwetter vorüber. Eine Klagemelodie, wie sie nur Mahler erfinden konnte, schließt sich in Strichern und Holzbläsern an. Wie soll es aus solcher Düsternis jemals ein Entkommen geben? Der Mittelteil versucht es mit Gewalt. „Wild und leidenschaftlich“ übertitelt Mahler diesen Abschnitt. Und wirklich verlangt er den ersten Violinen alles an Kraft und Intensität ab. Nach einem dissonanten Ausbruch des ganzen Orchesters wird der Satz wiederum von der Trompete beschlossen, doch verharrt auch der zweite in derselben brütenden Grundstimmung. E.T.A. Hoffmanns ausweglose Fieberfantasien – ein Autor, den Mahler sehr geschätzt hat – klingen an. So hat ein Orchester zuvor nie geklungen: riesige Aufschwünge, rasende Streicherkaskaden, schonungslose Attacken des gesamten Blechbläserapparats. Dazwischen baut der Komponist Solopassagen einzelner Instrumente, etwa der Celli wie Ruheinseln ein. Dem Choral am Ende will man die Abwendung des drohenden Verhängnisses nicht recht glauben. Und tatsächlich kehren die Irrlichter am Ende in den heiseren Flagoletts der Geigen zurück.
Trotzdem verfliegt der Spuk dann im dritten Satz ohne jegliche Vorankündigung. Als hätte sich Münchhausen selbst aus dem Sumpf gezogen, hebt hier ein ausgelassener Tanz an, in dem Giganten Rad zu schlagen scheinen – übersteigert, überdreht, ohne erkennbaren Anlass. Motive sonder’ Zahl wirbeln durcheinander, Mahlers Klangphantasie kennt keine Grenzen. Nach tosenden Aufschwüngen lässt er auf einmal nur ein einzelnes Streichquartett spielen: typisch Mahler! Solche Extreme gehören zum Stil der Jahrhundertwende und kennzeichnen deren ausdrucks- und wirkungsbesessene Ästhetik. Dazu passt auch das daran anschließende Adagietto. Wer könnte aus diesem reinen Liebesbekenntnis darauf schließen, dass Alma Mahler für Mahler zum Prüf-, ja zum Schleuderstein werden sollte? In dem sublimen Strichersatz mit solistischer Harfe ist davon nichts zu vorauszuahnen. Wellen an Gefühl wogen auf und ab und man gewinnt den Eindruck, als würde Mahler immer wieder zögern, sein Herz ganz ausschwingen zu lassen. Bei aller Grandiosität wirkt diese Werbung irgendwie dennoch scheu und unsicher. Der Abstand zum Trauermarsch des Beginns ist enorm. Das Finale versucht, den Bogen dann zu schließen und scheinbar Unvereinbares zur Einheit zu zwingen. Unter Aufgebot aller Mittel setzt Mahler mit einem drängenden Rondo in etwas künstlich wirkender „Lustigkeit“ fort. Solche Widersprüche gehören ganz stark zu Mahlers dämonischer Persönlichkeit. Sie offenbaren, wie es in ihm wirklich ausgesehen haben muss. Thematisch bietet der Komponist neuerlich eine Vielzahl von Motiven auf. Im Schlusspresto meint man dann doch, den Pfeil ins Schwarze treffen zu sehen; Aber Mahler verfehlt die Haupttonart und landet in D-Dur, einen Halbton höher. Ganz will sich der Kreis eben doch nicht schließen…