1. Satz Allegro con brio
2. Satz Andante
3. Satz Poco Allegretto
4. Satz Allegro
Johannes Brahms war in seinem fünfzigsten Lebensjahr auf dem Höhepunkt seiner Schaffenskraft angelangt, als er 1883 in Wiesbaden seine dritte Sinfonie beendete. Die Uraufführung fand im Dezember desselben Jahres in Wien statt. Hans Richter, der Brahms und Wagner gleichermaßen verbundene Dirigent, führte das Werk mit den Wiener Philharmonikern zu seinem bis heute andauernden Siegeszug. Merkmale von Brahms Sinfoniestil sind ein betont kontrapunktisches Denken, Anklänge an zum Teil vorbarocke Musik und ein streng durchgeführtes formales Konzept. Beethovens Scherzi ersetzte Brahms durch eher introvertierte dritte Sätze mit Intermezzo-Charakter.
Die dritte Sinfonie resignativ zu nennen, wäre übertrieben; Und doch durchzieht sie ein Hauch von Herbststimmung. Die großen himmelsstürmenden Durchbrüche der ersten Sinfonie wird man hier vergebens suchen, stattdessen enden alle vier Sätze in sich gekehrt und leise. Das überrascht umso mehr, als der explosive Beginn mit den drei gestauten Akkorden über dem Bassmotiv „f-as-f“ eigentlich eine andere Entwicklung erwarten ließe. Auch der 6/4-Takt ist für einen Sinfonieanfang eher ungewöhnlich, gibt aber viel Raum für Akzentverschiebungen und Hemiolenbildungen. Der Seitensatz bringt einen idyllischen Reigen der Holzblasinstrumente über einer Bordunbegleitung der Streicher. Am Ende der hitzigen Durchführung greift das Horn überraschend das Kopfthema wieder auf, wendet es allerdings ganz ins Elegische. Aus diesem Moment erhabener Ruhe bricht die Reprise mit erneuter Kraft hervor. Es ist ein Eindruck, als ob man aus einem dunklen Waldstück hervortreten und plötzlich freie Sicht auf den Gipfel gewinnen würde. Die Coda verdichtet die Themen in Engführung, bevor der Satz allmählich verebbt.
Das Andante beginnt in idyllischem C-Dur. Sehr reizvoll geben sich Holzbläser und tiefe Streicher die Hand. Eine seltsame Akkordverschmelzung vor der Wiederholung in den Celli stellt diese Idylle aber irgendwie in Frage. Mit neuen Über- und Unterstimmen überlagert Brahms das Anfangsthema und erreicht in der Satzmitte eine große orchestrale Dichte. Den inhaltlichen Höhepunkt hebt er sich für den Schluss auf, wenn die Violinen eine siebentaktige expressive Melodie anstimmen: Diese Stelle klingt, als würde Brahms uns sein Innerstes offenbaren. Nach dieser intensiven Stelle klingt der Satz in Ruhe aus. Die Sechzehnteltriolen des folgenden Allegrettos mögen auf den ersten Blick womöglich unruhig wirken. Darin hineinverwoben ist aber eine unsagbar schmerzliche Cellolinie, die dem Satz seinen eigentlichen Charakter verleiht. Das Atmen dieses „instrumentalen Gesanges“ hat Brahms an den Ruhepunkten der Melodie schon mit hineinkomponiert. Der Mittelteil lebt von rhythmischen Belebung durch „falsche“ Betonungen auf dem schwächsten Taktteil. Nach der neu instrumentierten Wiederholung des ersten Teiles und einem großen Aufschwung im Tutti klingt auch dieser Satz wieder verhalten aus. Etwas zwielichtig huscht darauf das Finale herbei. Kaum dass es einigermaßen Form gefunden hat, tritt auch schon ein ernster Choralgedanke dazwischen. Aber auch das ist noch nicht des Pudels Kern: Wie ein greller Blitz erhellt nämlich ein Orchesterschlag die Szenerie und erst dieser stößt die den Satz prägende vorwärtsdrängende Bewegung an. Das burschikose zweite Thema, das daraus erwächst, gibt sich eher hemdsärmelig. Die Durchführung lebt vom Gegensatz zwischen dem Choralthema und den dagegen gesetzten triolischen Streicherfigurationen. Hochinteressant, wie Brahms Satz und Werk beendet: Die Coda weicht den bis dahin vorherrschenden daktylischen Rhythmus („lang-kurz-kurz“) nämlich zu fließenden Dreiergruppen auf und ehe man sich‘s versieht, kehrt plötzlich das Kopfthema des ersten Satzes in Oboe und Horn wieder. Und auch das einst feurige 6/4-Thema des Sinfoniebeginns klingt an, allerdings nun ganz ins Ätherische verändert: Stille Reminiszenz, nostalgisches Zurückblicken oder abgeklärtes Loslassen – diese Stelle könnte wahrlich Vieles bedeuten.