1. Satz Mäßig bewegt
2. Satz Adagio, etwas bewegt, quasi Andante
3. Satz Scherzo – Ziemlich schnell
4. Satz Finale – Allegro
Derselbe Johann von Herbeck, der der musikalischen Welt Schuberts „Unvollendete“ vermittelt hatte, sah sich bei einer von dem 39-jährigen Anton Bruckner selbst einberufenen Externistenprüfung zu dem Ausruf veranlasst: „Er hätte uns prüfen sollen!“ Es ist erstaunlich, wie Herbeck für beide österreichischen Sinfoniker, Schubert und Bruckner, eine derart förderliche Rolle spielen sollte. Zur selben Zeit, als dieser selbstlose Musiker und Förderer mit 45 Jahren 1877 viel zu früh starb, ging sein Schützling Anton Bruckner gerade daran, die dritte Sinfonie umzuarbeiten. In die erste Fassung seines vier Jahre zuvor entstandenen Werkes hatte Bruckner nämlich Zitate aus Richard Wagners Musikdramen eingearbeitet, die er nun wieder eliminierte – freilich erst, nachdem Wagner die Sinfonie zur Widmung angenommen hatte. Dies war in einer für Bruckner typischen überfallsartigen Aktion geschehen. Nach einer Kur in Marienbad hatte der an sich sehr scheue Komponist dem Bayreuther Meister die Partituren seiner zweiten und dritten Sinfonie mit der Bitte vorgelegt, er möge sich eine aussuchen. Der verdutzte Wagner wusste zunächst nicht, wie sich rauswinden, taute angesichts der in den Partituren bewahrten musikalischen Urkraft seines Bewunderers aber schnell auf. Bruckners Selbstzeugnis anno 1891: „Zuerst hat er gar nichts g’redt, (…) nur um den Hals is er mir g’fall’n und abküsst hat er mich ein übers andere Mal. Ich hab’ natürlich gleich weinen müssen, und das ist auch dann nicht besser geworden wie er mir endlich g’sagt hat: ‘Lieber Freund, mit der Dedication hat es seine Richtigkeit, Sie bereiten mir mit dem Werk ein ungemein großes Vergnügen.’“ (zit. nach Max Auers Bruckner-Biographie, S. 265).
Die Anerkennung durch diese musikalische Vaterfigur muss für den zweiflerischen Bruckner von enormer Bedeutung gewesen. Zum Glück hat Wagners sicherer Blick im Beginn der Dritten – dort, „wo die Trompete das Thema hat“ – Bruckners Genie sofort aufblitzen gesehen. Wie dieses markante Dreiklangsmotiv aus einer Streicherklangfläche aufsteigt, sich rhythmisch verdichtet und zum Tutti steigert, das hat eine unwiderstehliche elementare Wirkung. Im Verlauf des Satzes wird dieser Trompetenstoß in Verkleinerung und Umkehrung auf intensivste Art und Weise verarbeitet. Dass er in der Satzmitte vom ganzen Orchester sogar einstimmig hervorgeschleudert wird, hat für Bruckners späteres Schaffen eine geradezu paradigmatische Bedeutung.
Etwas weniger breit angelegt zeigt sich der zweite Satz. Ein verhältnismäßig einfaches diatonisches Anfangsthema und ein fließender Seitensatz werden zu einem großen Höhepunkt gegen Satzende hin gesteigert. Drei Trompeten legen sich darüber in einer edlen Choralmelodie. Das Scherzo ist ganz aus dem Gegensatz zwischen einem einfachen Wechselnotenmotiv und dem auch in späteren Scherzi – z. B. jenem der siebenten Sinfonie – anzutreffenden Rhythmus aus zwei Viertel- und zwei Achtelnoten gestaltet. Das Trio gemahnt in seiner Gemütlichkeit an einen österreichischen Landler. Das Finale bezieht seinen Impetus zunächst aus einem aufsteigenden drängenden Viertonmotiv, das wiederum ein kerniges Blechbläserthema auf den Plan ruft. Die Basslinie dieser wuchtigen Akkorde überwindet dabei den riesigen Raum einer verminderten Dezime – wo hätte es eine solche Ungeheuerlichkeit im Schaffen Bruckners zuvor gegeben? Es sind nicht zuletzt die harmonischen Spannungen dieser Wendung, die dem Satz seine tektonische Tragfähigkeit verleihen. Sehr einprägsam ist der Seitensatz in seiner Doppelgestalt aus Choral und Tanzweise. Nachdem die Coda bereits das Seitenthema des ersten Satzes zitiert hat, kehrt ganz am Ende auch noch der anfängliche Trompetenruf (wohl eine Art „Sinfoniemotto“) wieder – ein „synoptisches“ Verfahren, mit dem Bruckner eine Klammer vom mystischen Dunkel des Beginns zum D-Dur-Glanz am Ende setzt.
Bruckners Dritte verrät sein intensives Kontrapunktstudium bei dem berühmt-berüchtigten Theoretiker Simon Sechter. Auch lässt sie auf weitreichende Kenntnisse der thematischen Arbeit in Beethovens Sinfonien schließen und verweist auf Wagners harmonische Errungenschaften. Insgesamt ist die dritte Sinfonie von Anton Bruckner aber ein entscheidender Schritt in dessen eigene Richtung: Was in der ersten Sinfonie „keck“ hervorlugt, sich in der Zweiten selbstkritisch wieder verschleiert, das steht in der Dritten mit einem Schlag sichtbar und hörbar da: Bruckners starker unverwechselbarer Ton.
Die Uraufführung am 16. Dezember 1877 in Wien geriet unter der Leitung des Komponisten dennoch zu einem ausgesprochenen Misserfolg. Ein kleiner Teilerfolg für Bruckner war, dass sich der Musikverleger Th. Rättig immerhin zur Drucklegung veranlasst sah. Zu diesem Zeitpunkt war Bruckner innerlich freilich schon an einem ganz anderen Punkt: Die vierte und fünfte Sinfonie waren bereits geschrieben…