1. Satz Allegretto – Poco allegro – Tranquillo, ma poco a poco ravvivando il tempo all’allegro– Poco largamente – Tempo I – Poco allegro
2. Satz Tempo andante, ma rubato – Poco allegro – Molto largamente – Andante sostenuto – Andante con moto ed energico – Allegro – Poco largamente – Molto largamente – Andante sostenuto – Andante con moto ed energico – Andante – Pesante
3. Satz Vivacissimo – Lento e soave – Tempo primo – Lento e soave – (attacca)
4. Satz Finale: Allegro moderato – Moderato assai – Meno moderato e poco a poco ravvivando il tempo – Tempo I – Largamente e pesante – Poco largamente – Molto largamente
Theodor W. Adorno war im zwanzigsten Jahrhundert ein Apologet des gesellschaftlichen und politischen „Fortschritts“. Als dilettierender Komponist fühlte er sich zugleich als Sprachrohr von ebensolchen Musikanschauungen. Komponisten, die dieser Richtung entgegenstanden, verurteilte Adorno aufs Schärfste. So erging es auch dem finnischen Tonschöpfer Jean Sibelius, den Adorno in seiner 1938 erschienenen „Glosse über Sibelius“ in Grund und Boden stampfte. Der Philosoph kritisierte an ihm eine angebliche „mangelnde Erfindungskraft“, „ungenügende Kompositionskenntnisse“ und eine grundsätzliche Dickhäutigkeit gegenüber kompositorischen Neuerungen. Dass der 40 Jahre ältere, am Rand der europäischen Musikkultur geborene Komponist auf ganz anderen ästhetischen Fundamenten ruhte, und das Unverständnis möglicherweise auf der seiner Seite liegen könnte, dieser Gedanke kam dem aufgebrachten Denker und Hobbymusiker Adorno nicht.
Als in Mitteleuropa Schönberg und seine Anhänger die Reste des jahrhundertelang gültigen tonalen Systems niederrissen, befand sich die skandinavische Musikszene eigentlich noch im Aufbau. Auf seinen Reisen und Studienaufenthalten hielt sich Sibelius an die deutsche Romantik eines Brahms und Bruckners. Nach seiner Rückkehr in die Heimat besann er sich zusätzlich noch der eigenen finnischen Mythologie und ließ die Neuerungen Neuerungen sein. Eine stete Inspirationsquelle wurde ihm die herbe Schönheit der nordischen Landschaft und Natur – allerdings nicht im Sinne eines Pseudopatriotismus oder einer sentimentalen Naturseligkeit. Bei Sibelius koinzidiert die äußere Landschaft der Wälder und Seen mit der gleichsam „inneren“ Landschaft eines hochsensiblen, die Natur mystisch erlebenden Künstlers. Dass Sibelius mit seiner Außenseiterrolle haderte und sich schließlich selbst als „überkommen“ betrachtete, hatte schwerwiegende Folgen: Bereits Ende der 1920-er Jahre verstummte kompositorisch endgültig. Heute haben sich die zeitbedingten Wogen geglättet. Sibelius gilt mit Fug und Recht als der große finnische Sinfoniker.
Seine zweite Sinfonie entstand zwischen 1900 und 1902. Dem Werk liegt ein klassischer viersätziger Sinfonietypus zu Grunde, dieser ist aber durch zahlreiche Tempo- und Tonartwechsel stark verschleiert. So entsteht der für Sibelius kennzeichnende rhapsodische Gesamteindruck mit vielen einzelnen, divergierenden Abschnitten (siehe die Satzüberschriften ganz oben). Teils grüblerisch, teils schroff wirkt diese häufig dunkel getönte Musik mitunter in sich zerrissen und zerklüftet. Dem gegenüber stehen wiederum einfache und verspielte Motive. Der erste Satz hebt in einer zugleich gehemmt und fließend wirkenden 6/4-Bewegung der Streicher an, über die sich eine folkloristisch anmutende Holzbläserthematik legt. Charakteristisch für Sibelius ist, dass er den eigentlich klaren Beginn in Dur rasch nach Moll abbiegt. Das erzeugt ein resignatives Moment, gegen das die Musik mit zum Teil massiven Mitteln ankämpft. Der zweite, langsame Satz greift eine Satzweise auf, die entfernt an Mendelssohns „Italienische“ erinnert: Über gehenden Achtelbässen schwebt eine getragene Melodie im Fagott dahin. Der Mittelteil bringt dann größere Bewegung. Der dritte Satz gebärdet sich als rasende Tarantella, die zweimal von einem herzzerreißenden Einschub (quasi Trio?) unterbrochen wird. Das unmittelbar anschließende Finale beherrscht ein drängendes Motiv im 3/2-Takt. Der Satz weitet sich am Ende zu einem veritablen Choral aus.
Das vielfältige musikalische Geschehen dieser inhaltlich überreichen Partitur lässt sich schwer in Worte fassen. Nicht klassische Ordnung und Klarheit darf man hier suchen, sondern Kraft, Größe und Unmittelbarkeit. Wie ein starker Wind erregt diese Naturgewalt unsere Seele, reißt uns hoch und stößt uns hinab wie fliegende Blätter im Herbststurm. Wer sich darauf einzulassen vermag, den belohnt diese mitunter spröde Klangsprache mit unerwarteten Wirkungen und einer völlig eigenständigen musikalischen Erfahrung.