Sinfonie Nr. 1 B-Dur op. 38 „Frühlingssinfonie“

1. Satz Andante un poco maestoso-Allegro molto vivace
2. Satz Larghetto
3. Satz Scherzo. Molto vivace – Trio I – Trio II
4. Satz Finale. Allegro animato grazioso

1840 hatten Robert Schumann und seine Verlobte Clara Wieck per Gerichtsbeschluss ihre Heirat erzwungen – gegen den Willen des Brautvaters Friedrich Wieck, der an der Person seines zukünftigen Schwiegersohnes und ehemaligen Klavierschülers kein gutes Haar gelassen hatte. Vorausgegangen waren zermürbende Jahre der Verunsicherung, der Anschuldigung, der Demütigung, des Konflikts. Dass der im Persönlichen eher unkämpferisch veranlagte Schumann sich gegen diesen Widerstand durchsetzen konnte, muss ein Durchbruch, ja ein „Dammbruch“ gewesen sein. Die Aussicht auf ein gemeinsames Leben in menschlich-künstlerischer Harmonie mit Clara öffnete seinen schöpferischen Kräften alle Schleusen. Nur so ist erklärbar, dass Schumann seine erste Sinfonie in gerade einmal vier Tagen, vom 23. bis 26. Januar 1841, skizzieren konnte. Wenngleich er auch sonst ein von starken Inspirationen geleiteter „Schnellschreiber“ war, ist dieser Zeitraum für ein Orchesterwerk von vier Sätzen doch auch für ihn außerordentlich knapp. Dass der bisher eher auf Klavierstück und Lied fokussierte Komponist überhaupt eine Sinfonie in Angriff nahm, mag damit zusammenhängen, dass er seinen neu gegründeten Hausstand mit einem Werk von Bedeutung und Gewicht feiern wollte. Genau genommen ist diese Sinfonie Schumanns erstes gültiges Orchesterwerk überhaupt. Dank seines Freundes Felix Mendelssohn-Bartholdy erfuhr es die Ehre, am 31. März 1841 gleich im Leipziger Gewandhaus uraufgeführt zu werden.

Was an dem Werk ins Auge springt, ist die nie nachlassende, gleichsam „schlafwandlerisch“ tätige Erfindungskraft. Aus einer Gedichtzeile des vergessenen Dichters Adolf Böttger „Im Tale zieht der Frühling auf“ nimmt Schumann den Rhythmus des Eröffnungsmotivs und zugleich das Motto zu dieser „Frühlingssinfonie“. In der Einleitung noch getragen, verwandelt sich dieses Motiv in ein feurig vorwärtsdrängendes Entwicklungsthema, das rhythmische Kraft unmittelbar in motorische Bewegung umsetzt. Das folgende Larghetto erweist sich als raffiniert komponiertes lyrisches Stimmungsgemälde voll intensivster Empfindungen, ein zart abgetöntes, schwärmerisches Liebesgeständnis vielleicht. Für das Verständnis von Schumanns romantischer Sinfonik aufschlussreich ist die formale Brücke zum dritten Satz: Der unversehens anhebende, sakral anmutende Posaunenchoral wird vexierbildartig zum Hauptthema des Scherzos gemacht. Zweimal von duftigen Trios unterbrochen stürmt dieses energisch daher. Wieder findet Schumann in der Coda eine originelle Wendung zum Finale, das mit seinem munter drauflos plappernden Hauptthema für Behaglichkeit sorgt. Am Beginn der Durchführung blitzt in den Posaunen kurz das Frühlingsmotiv wie ein Weckruf auf. Die große Steigerung am Satzende macht daraus triumphale Fanfaren, die lautstark vom Glücksgefühl des 30-jährige Komponist künden, der am Ziel seiner Wünsche angekommen zu sein schein. Dass dieses Glück nur von kurzer Dauer sein sollte, wusste er noch nicht. Angesichts der kommenden tragischen Entwicklungen in Schumanns Biografie ist seine Frühlingssinfonie als Dokument ungetrübter Lebensfreude für uns daher umso kostbarer.