Ouvertüre zur Oper „Der Freischütz“

Ein Hauptmotiv der romantischen Kunstphilosophie war die „Natur“. Die Begeisterung an und für das Kreatürliche steigerte sich bei frühromantischen Idealisten wie Friedrich Willhemlm Johann von Schelling (1775-1854) bis zu einer Art pantheistischem Mystizismus. Natur wurde als beseelt und von einer Gottheit durchwirkt vorgestellt.

„Natur ist kein Mechanismus wie in der Naturwissenschaft, sondern ein Organismus, in sich belebt. Dynamisches Naturmodell im Prozess.“

Die andere Seite der Natur, das Feindliche, Abgründige und Dämonische kehrte dagegen in der sogenannten „Schauerromantik“ etwa bei E.T.A. Hoffmann wieder. Beide Facetten trifft man in Carl Maria von Webers 1821 uraufgeführter Oper „Der Freischütz“ an. Die Handlung rund um den Jägerburschen Max, der mit unerlaubten Mitteln die Hand Agathes zu gewinnen versucht und erst am Ende aus der Kralle „feindlicher Mächte“ befreit werden kann, wendete die romantische Naturphilosophie erstmals als tragfähiges dramatisches Konzept für eine Bühnenhandlung an. Die vier Hörner am Beginn der Ouvertüre malen ein idyllisches „Waldweben“, das in seiner lauteren Naivität bereits auf Wagners Siegfried vorausweist. Schnell schleichen sich andere Töne ein: ein düsteres Paukenmotiv grundiert von ebenso dunklen Klarinettentönen – das „Samielmotiv“ als Symbol des Abseitigen, ja Teuflischen. Solche neuartigen Mittel, die Wagners Leitmotivtechnik vorbereiteten, erfand Weber mehrfach. Gerade die Koppelung von Ausdruck an Klangfarbe wurde nämlich kennzeichnend für den romantischen Opernstil. Neu ist auch die Funktion der Ouvertüre als dramatisches Substrat der Handlung. Die gehetzten Streicherkaskaden aus Max Verzweiflungsarie, Motive aus der grausigen Wolfsschluchtszene und schließlich das triumphierende Thema der großen Agathenarie bringen in raschen Schnitten wie bei einem Filmvorspann die wesentlichen Elemente der Oper in Kurzfassung. Mit dem Gespür des genialen Musikdramatikers führte Weber diese Themen durch und schrieb zugleich ein in sich geschlossenes, autarkes Meisterstück.