Es ist auffällig, dass in Beethovens Schaffen Ouvertüren eine besondere Bedeutung haben. Traten solche bei anderen Komponisten hauptsächlich als Einleitungen zu Opern oder Schauspielmusiken auf, so schrieb Beethoven Ouvertüren auch als selbständige Orchesterwerke. Seine Coriolan-Ouvertüre fußt auf einem Drama des heute vergessenen Heinrich Joseph von Collin. Coriolan, ein römischer Patrizier, gerät nach einer versuchten Erpressung in Widerspruch mit der politischen Führung Roms. Erst die Vermittlung seiner Mutter kann die Eskalation der kriegerischen Auseinandersetzung abwenden.
Vielleicht hat Beethoven das Thema des Patriotismus gereizt, sicher aber – wie in der Egmont-Ouvertüre – die Zerrissenheit seiner Hauptfigur. Die Molltonart wie auch Beethovens häufig verwendete „con brio“-Anweisung nehmen darauf Bezug: c-Moll als Inbegriff des Dramatischen und „con brio“ als Ausdruck eine aus innerer Unruhe geborenen Kraft – gleich flackerndem Feuer. Aus einem einzelnen C schlagen zu Beginn drei Orchesterschläge wie Blitze hervor. Als ob die Energie damit verpufft wäre, schleicht ein unheimliches, irgendwie schwankendes Thema daher, das sich in synkopierten Punktierungen verliert. Die Bewegung reißt abrupt ab, versucht aber in anderer Tonart erneut durchzubrechen. Wenn dieses thematische Geschehen Coriolan darstellen soll, so macht es am ehesten sein Anrennen gegen imaginäre Mauern und seine inneren Widersprüche greifbar. Die weiche und doch schwungvolle Melodik des Seitenthemas – sind das die schmeichelnden Worte der Mutter? – mildert diese Schroffheit zwar ab. Aber auch nach der Klimax kommt es zu keiner wirklichen Versöhnung.
Am Ende scheint Coriolan wieder alleine zurück zu bleiben. Die Musik klingt resigniert. Der Konflikt ist zwar beendet, die Lösung blieb aber aus: Das Individuum ist auf sich selbst zurückgeworfen. Wie ein fernes Echo kehren die drei Schläge vom Beginn als Pianissimo-Pizzicato am Ende wieder.