Ouvertüre Die Hebriden op. 26

Die Hebriden sind eine Inselgruppe 50 km vor Schottlands. 1829 kam Mendelssohn auf seiner England-reise auch in diese unwirtliche Gegend, die klimatisch und landschaftlich seiner Berliner Großstadtumgebung ziemlich entgegengesetzt gewesen sein muss. Jedenfalls übte besonders die Fingalshöhle, ein Schlund an der Felsküste mit einem Durchmesser von 35 Metern, eine mythische Faszinationskraft auf den 20-jährigen Komponisten aus. Verarbeitet hat Mendelssohn diese Eindrücke in einem „Ouvertüre“ benannten Musikstück von klassischer Prägnanz.

Diese Form, die in diesem Fall nichts mit einer Operneinleitung zu tun hat, erfüllte, bevor sich die sinfonische Dichtung entwickelte, ähnliche Aufgaben, nämlich die Formulierung programmatischer Inhalte. Und tatsächlich fing Mendelssohn hier unter anderem das An- und Abfluten der Meereswellen ein, die Böhen des Windes, das Aufspritzen der Gischt und sogar das Kreischen der Möwen ein. Eine gewisse, an Caspar David Friedrich gemahnende Düsternis, gewissermaßen die „schottischen Nebel“, durchzieht das Stück. Die Schroffheit der Landschaft klingt in so manchen Motiven ebenfalls an.

Mendelssohn, der auch ein begabter Zeichner war, scheint hier in Tönen eine Skizze anzufertigen, die den heimischen Hörern die fremde Atmosphäre anschaulich machen soll. Zugleich erweist sich der Frühreife damit als eine wahre Künstlernatur, der mit den Mitteln seiner Kunst Fantasie zum Werk macht – und zwar so stringent und eindringlich, dass man als Hörer überwältigt vor diesem Tongemälde steht. Freilich, alles eher in der Art Beethovens: „Mehr Ausdruck der Empfindung als Malerei.“