Den Auftrag, eine Schauspielmusik zu Heinrich von Kleists Ritterdrama „Das Käthchen von Heilbronn“ zu schreiben, erhielt Pfitzner von niemand Geringerem als Max Reinhardt. Die Ouvertüre dazu hat sich als brillantes Zugstück seit ihrer Entstehung im Jahr 1905 im Repertoire erhalten. Pfitzner unterlegte ihr einen eigenen Programmtext und rückte sie damit in die Nähe einer sinfonischen Dichtung. Der „Meistersinger“-artige Beginn deutet mit seinem Triolenrhythmus die Welt der Ritter und Knappen an, „(…) voll rüd-lustiger Ritterlichkeit, voll fröhlicher Kämpfe mit Schwert und Pferd“. Hornrufe sowie eine getragene Violinmelodie in höchster Höhe prägen diesen ersten Abschnitt. Im Mittelteil entführt die Musik zu Käthchens Lieblingsplatz am „zerfall’nen Mauernring“ mit seinen Hollunderbüschen und zwitschernden Zeisigen. Dort liegt Käthchens mit sich ringender Verehrer Ritter Strahl. Standesdünkel hindern ihn, ihr seine Liebe einzugestehen. Im Fiebertraum wähnt er einen „Cherub“ zu sehen, der ihm Käthchens verschwiegene kaiserliche Abstammung verkündet. Dunkle Nachschläge der Pauke umreißen diese Nachtromantik suggestiv. Wieder bäumen sich die Geigen auf. Ein siegreiches Trompetenmotiv leitet – wie in der Leonoren-Ouvertüre – den Schlussabschnitt ein. Strahl will nun vor aller Welt bekennen, dass Käthchen auch vor den Menschen ist, „wie sie’s vor Gott längst war“. Die Musik schwingt sich in Terzen zum glücklichen Finale auf. Die Posaunen jedoch lassen unvermittelt eine obskure „Giftmischerin“ auftreten. Ob denn auch wirklich alles gut geht?
Inhaltlich ist Pfitzners Werk dem Themenkreis des germanischen Mittelalters zuzuordnen, den Wagner durch Tannhäuser und Lohengrin prägend aufgerissen hat. Musikalisch zeigt sich in Pfitzners Stil ein grüblerischer Zug, der ihn von seinem eher dramatisch bestimmten Kollegen Richard Strauss unterscheidet. Es ist aber nicht zuletzt der süffige Orchesterklang, der die Ouvertüre zum „Käthchen von Heilbronn“ zu einem unverwechselbaren Erlebnis macht!