„Mozarts Lieder“

Johann Wolfgang von Goethe war bereits in seiner eigenen Zeit die maßgebliche Instanz in Sachen Kunst. Über Musik hat er sich nur vereinzelt geäußert – wie etwa in seinem Vergleich des Streichquartettspiels mit einem „Gespräch von vier vernünftigen Leuten“ -, selbst betroffen und zu eigener Stellungnahme veranlasst hat ihn aber besonders die Vertonung seiner Lyrik. Als klassischer Dichter betonte Goethe die „Wahrung der Form“ auch in der musikalischen Umsetzung. Die Frage war ja, ob es erlaubt sei, den Text dramatisch, d.h. vornehmlich dem Inhalt und der Handlung folgend zu vertonen, oder ob dieselbe Musik auch „Träger“ unterschiedlicher Bilder und Aussagen sein können müsse. Goethe gab dem dem Wort Vorzug vor der Musik habe und stellte einem romantischen Genie wie etwa Franz Schubert seinen Freund Karl Friedrich Zelter als Vorbild gegenüber:

Er (Zelter) trifft den Charakter eines solchen in gleichen Strophen wiederkehrenden Ganzen trefflich, sodass es in jedem einzelnen Teile wieder gefühlt wird, da wo andere durch sogenanntes Durchkomponieren den Eindruck des Ganzen durch vordringliche Einzelheiten zerstören.“ (Goethe an Wilhelm von Humboldt, 14. März 1803)

Mozart ist Goethe als Kind bei einem Auftritt im August 1763 in Frankfurt begegnet. Goethe hat in der Folge Mozarts Schaffen aus der Ferne wahrgenommen. Mozart verwertete auch in seinem Liedschaffen seine Erfahrungen als Komponist von Opern und Bühnenwerken. Denn abhängig von der Textvorlage komponierte er sowohl strophische als auch durchkomponierte Lieder und kleine Szenen, bei denen man sich den Sänger auch als Figur auf einer imaginären Bühne vorstellen könnte. Zu den Strophenliedern im heutigen Programm gehören „Der Zauberer“, „Die Verschweigung“, „Die Alte“ und „Lied der Freiheit“. Mehr der Handlungsdramatik folgen durchkomponierte Lieder wie „Als Luise die Briefe ihres ungetreuen Liebhabers verbrannte“, „Abendempfindung“, „An Cloe“ oder „Dans un bois solitaire“. Lieder von besonders eingängiger Melodieerfindung wie „Das Veilchen“ oder „Sehnsucht nach dem Frühling“ wurden volkstümlich.

Die Programmanlage des Konzerts beruht auf dem Gegensatzpaar „heiter – ernst“. Beide Affektbereiche waren Mozart vertraut, in beiden Ausdrucksformen schuf er auch im Lied vorbildliche Werke. Ein besonderes Beispiel für Mozarts heitere Seite ist das auch als „Bandl-Terzett“ bekannte Ensemblestück „Liebes Mandel, wo ist’s Bandel?“, das Mozart für seine Frau Constanze, den gemeinsamen Freund Gottfried Jacquin und sich selbst schrieb. Mann und Frau suchen im dunklen Zimmer nach einem „Bandel“, ein dazukommender Herr erhält erst Auskunft, was denn da vorginge, nachdem er sich als „geborener Wiener“ vorgestellt hat. Mozarts sich mal kindlich, mal deftig ausdrückender Humor kommt in diesem Stück liebenswert zur Geltung.

Ergänzt werden Mozarts Liedvertonungen von weiteren heiteren und ernsten Liedern und Ensemblesätzen anderer Komponisten. Der bereits erwähnte Franz Schubert ist mit dem geistlichen Chorsatz „Salve Regina“ und dem sehr weltlichen „Hochzeitsbraten“ vertreten, von Michael Haydn erklingt die Fastenmotette „Tenebrae factae sunt“ und von Mozarts tschechischem Zeitgenossen Josef Myslivicek die Arie „Ridente la calma“, deren edle Melodik Mozart sogar zu einer eigenen Bearbeitung angeregt hat.