Auf die Fragen, was denn das „Klassische“ sei, welche Stilmittel die Epoche der musikalischen Klassik ausmache und welche Werke den Stempel „klassisch“ verdienten, wies der bedeutende deutsche Musikforscher und Mozartkenner[1] Friedrich Blume (1893-1975) auf den Aspekt der „Volkstümlichkeit“ hin. Nicht nur verwendeten und überhöhten klassische Komponisten bekannte Melodien und Elemente der Volksmusik, die Werke klassischer Musiker von Rang würden auch umgekehrt „volkstümlich“, wenn sie allgemeinverständlich wären.
„Das Bemühen um eine Universalsprache (…) verursacht die Aufnahme zahlreicher Volkslied-Melodien und volkstümlicher Elemente, die Anlehnung an Tanz, Lied und Marsch, die absichtliche Vorspiegelung des Volkstümlichen (…), die häufigen Zitate von deutschen oder fremden Volksliedern, die Anleihen bei Volksmelodien für Variationszwecke (…). Sie bringt schließlich in den besonderen Glücksfällen der Geschichte eine Musik hervor, der es gelingt, gleichzeitig in höchstem Grade volkstümlich und in höchstem Maße vollendete Kunst zu sein (Mozarts „Zauberflöte“, Haydns „Schöpfung“ und „Jahreszeiten“).“[2]
Auch bei Mozart ergänzte sich die Allgemeinverständlichkeit mit dem Anspruch höchster Kunstfertigkeit. Viele von Mozarts Melodien sind volkstümlich geworden. Mozart selbst berichtete nach der Uraufführung seines „Figaro“ am Wien Burgtheater voll Stolz, dass das Wiener Publikum seine Musik auf der Straße pfeifen würde. Mozarts Nähe zur Volksmusik zeigt sich aber auch gattungsmäßig in den vielen Ländlern, Menuetten und Deutschen Tänzen, die er komponiert hat. Andererseits sind etwa Lieder wie „Komm lieber Mai und mache“ direkt in den Volksliedkanon eingegangen. Mozarts letzte Oper schließlich, die „Zauberflöte“ ist wohl die volkstümliche Oper schlechthin: hohe Kunst für Kinder und Kenner zugleich.
[1] Zwei Schriften Blumes rekurrieren explizit auf den Salzburger Meister: „Die formgeschichtliche Stellung der Klavierkonzerte Mozarts“, in: Mozart-Jahrbuch 1924, S. 81–107; sowie „Wolfgang Amadeus Mozart. Gedenkrede zu Mozarts 150. Todestag am 5. Dezember 1941, Wolfenbüttel/Berlin 1942; 2. Aufl. Wolfenbüttel 1948
[2] Friedrich Blume: Artikel „Klassik“ in Musik in Geschichte und Gegenwart, zit. nach „Epoche der Musikgeschichte in Einzeldarstellungen, Bärenreiter, 1974, S. 253-254