Eines der spätestens Stücke Robert Schumanns ist die 1852 uraufgeführte Schauspielmusik zu „Manfred“, einem dramatischen Gedicht des englischen Autors George Gordon Noel Lord Byron. Besonders mit der Ouvertüre fühlte sich der selbst stets gefährdete Schumann kongenial in Byrons düstere Dichtung ein. Unnachahmlich gestaltete Schumann ein Psychogramm des gequälten Helden Manfred, der – wie Goethes Faust – ständig zwischen Geisterwelt und Realität hin- und herwechselte, sich dabei mit Sünden belädt, Hilfe aber vehement zurückweist. Das entspricht dem Trotzverhalten des Dichters selbst, der weder die körperliche Einschränkung durch einen Klumpfuß zur Kenntnis nehmen, noch gesellschaftliche Normen und moralische Grenzen akzeptieren wollte. Zu seinen bevorzugten Liebespartnerinnen zählten nicht nur verheiratete Frauen, sondern sogar seine eigene Halbschwester Augusta – ein inzestuöses Motiv, das auch in „Manfred“ seinen Niederschlag fand.
Die „geschobenen“ Orchester-Synkopen, mit denen Schumanns Stück beginnt, vermitteln den Eindruck einer schwankenden Gestalt, die zu Boden stürzt. Im ersten langsam-trüben Abschnitt neigt sie uns gleichsam ihr von Krankheit, Angst, ja Wahnsinn verzerrtes Antlitz zu. Lange Holzbläser-Linien erreichen ihr Ziel nie, weil sie kurz vorher in die Gegenrichtung umschwenken. Akkordzerlegungen in den Streichern fallen wir Vorhänge vor die Augen. Alles wirkt gequält und unklar und erinnert entfernt an Haydns „Chaos“ in der Schöpfung. Nach einem Stringendo hebt der gehetzte Hauptsatz an. Tremoli sorgen für weitere Unruhe. Das Seitenthema – „Astarte“ – zeigt sich als einziges Seufzen. Der Versuch, sich mit männlicher Entschlossenheit aus der Misere zu ziehen, scheitert. Immer wieder fällt die Musik in sich zusammen oder windet sich nur mühsam vorwärts. Am Tiefpunkt spielen drei Trompeten und die beiden Flöten im Pianissimo einen fahlen Akkord in as-Moll – schwärzer kann es nicht mehr werden. Eine Modulation nach fis-Moll sinkt im Cello in sich zusammen, bevor beim Eintritt der Reprise die schwankenden Synkopen des Hauptthemas wiederkehren. Am Ende erhebt sich ein Trauerchoral in den Bläsern über zitternden Klängen der Streicher. Das Geschehen verebbt. Dumpfe Paukenschläge und ein letzter Seufzer besiegeln das Schicksal eines Gescheiterten.
Anzumerken ist noch, dass sich neben Schumann auch der selbst vom Wahnsinn gestreifte Friedrich Nietzsche (!) sowie Peter Tschaikowski musikalisch mit dem Stoff auseinandergesetzt haben: Nietzsche in einer Klavierfantasie, Tschaikowski in einer viersätzigen „Manfred“-Sinfonie.