Äußerlich betrachtet muss Antonin Dvorák Lebenslauf als Glücksfall erscheinen: Dem Sohn eines einfachen Dorfgastwirts verhalf sein musikalisches Talent zu mehrfachen Ehrendoktorwürden, Ordensverleihungen und internationalem Ruhm. Die Position des Direktors des New Yorker Musikkonservatoriums wurde für ihn erst geschaffen! Privat war Dvorák ein liebevoller Familienvater, Naturliebhaber und Eisenbahnnarr. Natürlich wird ein derart vereinfachter Lebenslauf einem Künstler vom Format Dvoráks aber nicht gerecht. Weder ist ihm der Erfolg mühelos zugeflogen, noch war sein Leben sorgenfrei. Härteste Arbeit, Selbststudium und ein Hunger nach Bildung kennzeichneten den Weg des jungen Musikers. Dass zudem der Tod in Dvoráks Familie wütete (vier von neun Kindern starben früh), musste der gläubige Katholik nicht zuletzt in großangelegten geistlichen Werken verarbeiten. Ganz zu sich selbst fand Dvorák dort, wo er sich gestattete, den typischen Ton der böhmischen Volksmusik in seinen Schöpfungen anklingen zu lassen.
Begonnen hatte alles mit einer laienhaften Ausbildung in Bratsche und Orgel – beides im Grunde keine ausgesprochenen Virtuoseninstrumente. Dvoráks Zähigkeit brachte ihn in Prag aber bald in die vordere Reihe: Seine Organistenausbildung schloss er mit einem zweiten Preis ab und wurde zeitgleich erster Bratschist im Prager Operntheater. Daneben komponierte Dvorák autodidaktisch Werke, die er jedoch häufig wieder selbst vernichtete. Gerade auf kompositorischen Feld scheint er Zuspruch und Unterstützung vermisst zu haben. So wird die Rolle verständlich, die Johannes Brahms für seine Entwicklung gespielt hat. Der berühmte Norddeutsche war auf den jüngeren Kollegen aufmerksam geworden und hatte ihm zwischen 1874 und 1877 ein Stipendium verschafft und den Erstdruck von Dvoráks „Klänge aus Mähren“ vermittelt. Die Dankbarkeit und Freundschaft, die Dvorák Brahms entgegenbrachte, währte lebenslänglich und zeigte sich auch in einer gewissen Abhängigkeit von seinem Musikverständnis. Auf sinfonischem Gebiet folgte Dvorák Brahms’, an Beethoven orientiertem Weg.
Text: Dr. Stephan Hölllwerth