Sinfonie Nr. 4 in A-Dur („Italienische“) op. 90

1.Allegro vivace
2.Andante con moto
3.Con moto moderato
4.Saltarello. Presto
 

Ein Künstler ist nicht nur ein auf besondere Art begabter, sondern auch ein auf umfassende Weise gebildeter Mensch. In der klassischen und romantischen Periode war Bildung in den Sprachen, Künsten und Kulturen geradezu Ausdruck jenes humanistisch geprägten Weltbildes, das europäische Kunst überhaupt erst ermöglichte. Goethe mag einmal mehr als Vorbild dienen. Aber auch Felix Mendelssohn-Bartholdy war ein ähnlich Gebildeter. Das zeigt sich in seinen Briefen, in seinen Zeichnungen wie auch in seiner Musik.

Bildung ging vor zweihundert Jahren naturgemäß noch anders von statten als heute. Wer sehen und sich bilden wollte, der musste hinfahren. Neben der Selbsterziehung durch Lektüre und Gespräch mussten Reisen den Kontakt zu begehrten Bildungszielen herstellen. Schon in jungen Jahren war Mendelssohn ein derartiger Bildungsreisender. Werke wie „Die Hebriden“ oder die „Schottische Sinfonie“ entstanden nach seiner Englandreise im Jahre 1829. Gleich anschließend daran bereiste der 20-Jährige Bankierssohn auch Italien. Venedig, Florenz, Rom, Neapel, Pompeji, Genua und Mailand waren seine Stationen, allesamt Städte mit überragenden Kunstschätzen aus allen Epochen.  Nicht nur die Kunstgegenstände allein bereicherten den jungen Musiker. Wie schon in Goethes „Italienischer Reise“ – ein Buch, das Mendelssohn im Handgepäck hatte -, waren es auch die Menschen, die Natur und überhaupt das Lebensgefühl Italiens, die Mendelssohn begeisterten. Reflexe dieser „italianitá“ schlugen sich ab 1832 in einer neuen Sinfonie nieder. Der erste Satz dieser „Italienischen“ lässt in atemberaubender Stringenz gleich südliche Lebendigkeit und Helligkeit vor unser Auge treten. Die von den Holzbläsern zu Beginn angestoßene 6/8-Bewegung reißt bis zum Schluss nicht mehr ab. Im zweiten Satz erleben wir eine Art Pilgerprozession. Über schreitenden Bässen erhebt sich eine melancholische Melodie, die an das Goethelied „Es war ein König in Thule“ von Mendelssohns Lehrer Karl Friedrich Zelter gemahnt – beide, Zelter und Goethe, waren 1832 verstorben. Der dritte Satz ist ein Meisterwerk an Eleganz und Ausgewogenheit – Begriffe, die Mendelssohn auch an italienischer Kunst studiert haben mag. Ein Genrebild ganz anderer Art zeigt der abschließende „Saltarello“. Der überschäumende Springtanz gebärdet sich in seinem überraschenden a-Moll wild und leidenschaftlich. Die Anregung dazu hatte Mendelssohn von tanzenden Mädchen in Amalfi bekommen, wie eine Bleistiftzeichnung aus seiner Hand vom Mai 1831 belegt.

Die Uraufführung der „Italienischen“ fand am 1833 in London statt.  Später hat Mendelssohn das Werk mehrfach umgearbeitet. Wir schätzen es bis heute als die formvollendete Schöpfung eines der kunstsinnigsten deutschen Tonsetzer des 19. Jahrhunderts.