Kyrie
Gloria
Credo
Sanctus-Benedictus
Agnus Dei
Eigentlich hätte Puccini in die Fußstapfen seiner Vorfahren treten und ebenfalls Kirchenmusiker werden sollen. Zum Abschluss seiner diesbezüglichen Ausbildung am regionalen Musikinstitut in Viareggio schrieb er eine „Messa di Gloria“. Auch wenn er Teile daraus in seinen späteren Opern wiederverwendete, kehrte Puccini anders als Verdi nicht wieder zu sakralen Formen zurück, sieht man von der berühmten Kirchenszene in „Tosca“ einmal ab. Vielmehr hielt er sogar das Manuskript der Messe nach der Uraufführung 1880 bis zu seinem Tod unter Verschluss, auch wenn diese Komposition weit mehr ist als eine bloße Schülerarbeit oder akademische Pflichterfüllung. Die Selbstsicherheit, mit der Puccini den großen Apparat handhabt, erstaunt: Virtuose Orchesterbehandlung, originelle Melodienerfindung und eine abwechslungsreiche formale Anlage lassen den zukünftigen Operndramatiker bereits aufblitzen. Erst knapp 30 Jahre nach Puccinis Tod erlebte die Messe 1952 ihre Wiederentdeckung. Aus dieser Zeit, und nicht etwa von Puccini, stammt der etwas pompöse Titel „di Gloria“. Ursprünglich hatte das Werk einfach „Messa a quattro voci“ geheißen.
Die flehentlichen Melodien zu Beginn des Kyrie steigern sich, mit Akzenten versehen, zu einem ersten Höhepunkt im „Christe eleison“. Auch am Satzende wird die Erhörungsbitte des Chores ins Forte gesteigert. Überraschend still setzt dagegen das Gloria ein. Ein abrupter Fortissimo-Weckruf der Blechbläser sowie anschwellende Fanfarenmotive stellen die Weichen für den weiteren Verlauf des Satzes aber bald klar. Puccini komponiert dem Text entsprechend Abschnitte mit individueller musikalischer Faktur. Beim „Gratias tibi“ beschenkt er den Solo-Tenor mit einer vor Schmelz überquellenden typischen Puccini-Melodie im 12/8-Takt. Auch der Basssolist hat nach der Reprise des Gloria-Themas einen längeren Abschnitt für sich allein. Am Ende („Cum sancto spiritu“) drängt eine schulmäßige Fuge mit großer Verve zum Schluss. Das Credo wendet sich dagegen nach Moll. Eindringlich und einstimmig klingt der große Chor zu Beginn. Beim „Incarnatus“ führt der Tenorsolist in hellere Bereiche, das „Crucifixus“ ist wiederum dem Bass zugeordnet. Interessant ist eine Anweisung zum energischen Ausmusizieren eines Phrasenendes („stentato“): Diesem Innehalten an musikalischen Wende- und Höhepunkten begegnet man in vielen von Puccinis späteren Arien. In die gleiche Richtung zielt auch das rasante Ende des Credos. Hier könnte man sich an einen Aktschluss erinnert fühlen. Die restlichen drei Abschnitte nehmen, verglichen mit den ausladenden Mittelsätzen, wenig Raum ein – Sanctus und Benedictus werden überhaupt zusammengefasst. Im ersten dieser beiden Sätze dominiert der Chor, im zweiten der Basssolist. Das abschließende Agnus Dei knüpft im Zusammenhang des heutigen Programms an Verdis Freundschaftsduett an. Auch am Ende von Puccinis Messe hören wir ein Duett von Tenor und Bariton. Bei den Worten „Dona nobis“ kehren sogar die von dort vertrauten Triolen wieder – das mag reiner Zufall sein; ins Konzept des „Italienischen Brio“ passt diese Koinzidenz aber perfekt.