Theoretisch hätte Ives bei Antonin Dvorak Kompositionsunterricht nehmen können, als dieser Lehrer in New York war. Er hat es aber nicht getan. Stattdessen wendete er sich früh von einer romantischen Ästhetik ab. Als erfolgreicher Unternehmer in der Versicherungsbranche konnte Ives sich eine kompositorische Radikalität erlauben, die in Europa erst Jahrzehnte später ankam. Das kurze Orchesterstück „Central Park in the Dark“ ist dafür ein sehr gutes Beispiel. Noch vor 1900 begonnen initiiert es den Typus einer „Großstadtmusik“ – Musik des 20. Jahrhunderts also, die die akustischen Eindrücke eines Großstadtbewohners zwischen Lärm und Chaos widerspiegelt.
Wir befinden uns im nächtlichen New Yorker Central Park. Die Streicher malen die Dunkelheit und das zarte Rauschen dieser riesigen Parkanlage. Zusehends dringen „Fetzen“ von Ragtime-Musik in diese Stille ein. Immer lauter und schneller drängt sich eine Jazz-Band in den Vordergrund, bis am Höhepunkt das Ganze plötzlich abreißt und das „Hintergrundrauschen“ wieder durchscheint. Dramaturgisch gesehen ist das Stück sehr wirkungsvoll aufgebaut. Die auftretenden Missklänge sind so kompromisslos eingesetzt, dass man sich fragen muss, wie sie wohl auf die Hörer der Entstehungszeit gewirkt hätten. Das Stück ist aber damals gar nicht uraufgeführt worden, sondern erst 50 Jahre später, in Ives Todesjahr 1954. Da wiederum hatte die Musikgeschichte Ives frühes Experiment längst eingeholt.