Was ist Nostalgie? Nostalgie ist ein rückblickendes Erleben im schmerzlichen Gefühl des Verlustes. Auch ohne den Text in Samuel Barbers lyrischer Rhapsodie „Knoxville“ zu kennen, würde man aus der Musik sofort Nostalgie heraushören. Diese gefühlsgesättigten, dunklen Klänge, diese sich im Nichts verlierenden Violinlinien, diese weichen Tupfer in den Hörnern und diese Gesangsstimme, die immer irgendwie verhalten und unwirklich klingt, – das alles verströmt hochgradige Nostalgie!
James Agee (1909-1955) bündelt in seinem Text aus dem Jahr 1938 Erinnerungen eines Mannes an seine Kindheit in der amerikanischen Stadt Knoxville (Tennessee). Einsamkeit, Staunen und die Identitätssuche eines Kindes in einer Welt der Erwachsenen stehen im Mittelpunkt dieses zwischen Traum und Wirklichkeit changierenden Prosagedichts. Eher profane Erscheinungen wie Autos, Pferde, Erdbeeren oder der Gartenschlauch verdichten sich zu einem Stimmungsbild, das für immer verloren ist. Dieser Verlust ist im Falle Albees auch familiär bedingt: Im Alter von sechs Jahren starb sein Vater bei einem Autounfall. Genau hier konnte Barber anknüpfen, musste er doch während der Komposition ebenfalls um das Leben seines Vaters fürchten. Die Widmung „To my father“ trägt diesem Umstand Rechnung. Die Rolle des Sängers entspricht der eines Erzählers in einem Film, in dem die Personen nicht selbst sprechen und handeln, weil sie längst tot sind. Die Emotionen des betrachtenden Protagonisten aber sind so akut und lebendig wie eh und je. Dieser Widerspruch zwischen faktischer Vergänglichkeit und emotionaler Gegenwärtigkeit ist es, der dem Hörer ins Fleisch schneidet.
Musikalisch blickt Barber deshalb auch nicht in die Zukunft, sondern in die Vergangenheit. Absichtlich verwendet er musikalische Romantizismen, über die seine Zeit längst hinweggefegt ist. Pathos, Schönheit und Sentiment waren nicht mehr en vogue. Mit keinem anderen Mittel aber hätte Barber in „Knoxville“ den Kern der Aussage besser treffen können als durch eben diesen Rückgriff.