Der „Barbier von Sevilla“ ist eine Auftragskomposition des römischen Teatro Argentina an Rossini. Eine „unterhaltsame Oper für die Karnevalszeit“ hatte man 1815 bei dem erst 23-jährige Komponisten bestellt. Der stürzte sich zwar mit Feuereifer, aber auch mit gewissen Bedenken in die Arbeit – zu oft war der Stoff bereits von anderen Komponisten auf die Opernbühne gebracht worden. Rossini vollendete das neue Werk aber in unglaublichen 26 Tagen. Die Uraufführung fand mit kleiner Verzögerung am 20. Februar 1816 in Rom statt und löste ein europaweites Rossini-Fieber aus. Bis heute gilt der Barbier als die italienische Opera buffa schlechthin.
Der Stoff nach Beaumarchais erzählt die Vorgeschichte zu „Figaros Hochzeit“: Wie kam es eigentlich dazu, dass Graf Almaviva das Waisenkind Rosina heiratete? Welche Rolle spielte dabei der gewiefte Barbier Figaro? Wie ist das Verhältnis zu den anderen, aus der Mozart-Oper bekannten Personen wie der eifersüchtige Doktor Bartolo, die alte Haushälterin Marcelline oder Don Basilio?
Unter der Vielzahl an originellen Nummern, Arien und Ensembles, die Rosini in fieberhafter Eile hervorgestoßen hatte, ist ausgerechnet die Ouvertüre ein Kuckucksei. Sie wurde nicht zu diesem Anlass geschrieben, sondern stammt aus dem früheren Stück „Elisabetta, regina d’Inghelterra“. Rossini musste von dem kurzen Instrumentalsatz aber überzeugt gewesen sein, sonst hätte er ihn nicht an so prominenter Stelle und für ein so gegensätzliches Sujet wiederverwendet. Was die Zuhörer der damaligen Zeit in Taumel versetzte, waren die sogenannte „Rossini-Crescendi“: langgezogene Passagen des klanglichen Anwachsens, in denen immer ein Instrument nach dem anderen dazukommt – wie das Abheben eines Düsenjets beim Start.
Text: Stephan Höllwerth