Zeit seines Lebens hat sich Bertold Hummel mit religiösen Thematiken befasst. Auch den „Visionen“ liegt ein solcher Bezug zu Grunde. Die Apokalypse des Johannes, das letzte Buch des Neuen Testaments, beinhaltet eine Endzeitschau mit Aussicht auf himmlische Erlösung. Wie diese kryptischen Texte heute überhaupt einzuordnen sind, beschäftigte auch den Komponisten sehr: „Sind diese Gesichte des Evangelisten Halluzinationen eines Schizophrenen, gequälte Wunschträume eines Gefangenen und Gehetzten?“ Der gläubige Christ Hummel sah darin mehr. Für schwang in diesen Bildern Numinoses mit. Was ihn bei der Komposition besonders angeregt hat, war die Zahlensymbolik des Textes. So repräsentiert die „Sieben“ den Zustand der Vollkommenheit, die „Sechs“ den Materialismus und die „Vier“ die göttliche Vollkommenheit. In den „Visionen“ – ein Auftragswerk der Berliner Philharmoniker aus dem Jahre 1979 – findet sich diese Symbolik wieder.
Das Stück beginnt mit einem Akkord aus fünf Tönen, dem sich ein Dreitonmotiv als Symbol des Göttlich anschließt. Vollendet wird die Einleitung des ersten der beiden Sätze mit der siebenmaligen Wiederholung das Tones „f“. Überlagerungen verschiedener Tonarten kennzeichnen die folgende hauptsächlich melodisch beherrschte Passage, die in einer Kadenz für Vibraphon endet. Am Höhepunkt des Satzes kehrt das Dreitonmotiv im Einklang aller Instrumente wieder. Nach einem heftigen Ausbruch klingt der Satz in einer ruhigen Coda aus. Das stürmische Allegro hat dann die „apokalyptischen Reiter“ zum Inhalt. Die ersten vier Töne einer Zwölftonreihe erhalten dabei die Funktion eines Leitmotivs. Schlagzeug und Streicher untermalen das Geschehen mit kriegerischen Rhythmen. Nach kontinuierlicher Steigerung verhallt der Satz in extremem Pianissimo. Die vier Dreiklänge, die am Ende übereinandergeschichtet werden, symbolisieren die vier Tore des himmlischen Jerusalem. Zugleich „offenbaren“ sie die Totale aller zwölf chromatischen Töne – ein zwingender Abschluss für ein von Zahl und Unendlichkeit inspiriertes Werk